Lynn Schoene: Imaginary distortion of fact & fiction, Kunstverein Viernheim

Lynn Schoene
mixed media | sculpture | installation

An Imaginary Distortion of Fact&Fiction, Time&Space, 2011

Unter dem Titel „IMAGINARY DISTORTION OF FACT & FICTION“ (Imaginäres Zerrbild von Wahrheit und Dichtung) zeigt der Kunstverein Viernheim noch bis zum 8. April zahlreiche Arbeiten der in Schriesheim lebenden Künstlerin Lynn Schoene. Wie in vielen Ausstellungen zuvor, zitiert sie mit dem Ausstellungstitel zwei für sie wichtige Romane des Autors Charles Dickens, nämlich „David Copperfield“ und „Great Expectations“. In den Romanen verwebt Dickens eigenes Erlebtes  mit einer fiktiven Handlung – eine Vorgehensweise, die Lynn Schoene auch für sich zum Programm macht. In der für sie wohl typischen Manier, vereint sie in ihrer Kunst Vergangenes, Biografisches und auch politische Themen, die sie umtreiben. Die Künstlerin mit britischen-irischen Wurzeln kombiniert seit vielen Jahren Zeichnung und Malerei mit Wand- und Raumobjekten, die wie in einem stillen Dialog zusammenstehen und wirken. Auffällig ist, dass alle Arbeiten eine enorme Ruhe ausstrahlen – einerseits erwirkt durch die sepiahaften Farbstimmungen, andererseits durch die verwendeten Materialien, darunter Bienenwachs, natürliche Pigmente, Schellack, Bitumen und Textilien. Aber auch Fundstücke von Flohmärkten, wie alte Hutschachteln oder Koffer und Taschen kommen zum Einsatz, die sie mit Papierstreifen oder Bienenwaben auskleidet, mit einer Schelllackschicht überzieht und mit Textbotschaften versieht.

Durch diese veränderten Stofflichkeiten erfahren die Gegenstände eine Umdeutung, als seien sie stumme Zeitzeugen, schicksalhafte Artefakte, die auf ihre Enträtselung warten. Allen Arbeiten haftet etwas Rätselhaftes, Vielschichtiges an. Es ist nicht der sprichwörtliche Zaunpfahl, mit dem gewunken wird und der wenig Missverständnis zuließe, sondern in den Arbeiten von Lynn Schoene wirkt das, was zwischen den Zeilen steht. Das kann im Falle der Installation eines Fischerbootes, das auf einem Fischernetz auf dem Boden steht, der Umgang mit der Flüchtlingsthematik sein, oder es können die auf einer türblattgroßen Fläche plastisch eingearbeiteten weißen Hemden sein, die die Frage nach den Schicksalen ihrer Träger unbeantwortet lässt.


Neben dem Verborgenen, beschäftigt sich Schoene in ihren Arbeiten auch mit der Zeit oder besser der Zeitlosigkeit – etwas, das auch der Titel suggeriert. Die Zeit verzerrt Wahrheiten, wie es auch die Dichtung tut. Das, was vergänglich ist, hält sie unter einer Schicht aus Lack und Wachs fest oder überzieht es mit netzartigen weißen Strukturen, als wolle sie bedeutsame Augenblicke verzerrt konservieren.

In der unteren Etage sind drei wunderbare Zeichnungen von barockartigen Kronleuchtern und eine großformatige Arbeit von 2018 in Mischtechnik zu sehen, das eine eindrucksvolle Raumsituation andeutet. Auch auf diesem wird ein Kronleuchter erkennbar, der unter dem Fachbegriff Bienenkorb firmiert, weil die Anordnung der Kristalle einem wilden Bienenstock entsprechen.

Café Museum, 2018

Das was die Bienen schaffen, treibt die Künstlerin in vielen Arbeiten selbst an. Seit 2005 stellt sie Bienenwaben her – aus Bienenwachs und selbgeschöpftem Papier. Ihre sogenannten „Urwaben“ hängen auch in der aktuellen Ausstellung wie Bilder an der Wand, oder tauchen als auseinander-gebrochene Schalenhälften auf und erzählen mit ihren organischen Strukturen und der erdigen Farbigkeit von der ganz eigenen Erfahrungswelt der Künstlerin. Die eigene Geschichte klingt auch in ihren seriellen Kinderporträts an. Ein Foto der Künstlerin als 6-Jährige, zeichnet sie ab und verändert es am PC in mehreren Schritten. Am Ende der Serie ist das Gesicht unkenntlich – es ist durchzogen mit spinnwebenenartigen Strukturen, als habe der Zahn der Zeit nicht nur auf dem Abbild seine Spuren hinterlassen.  Mit dieser konzeptartigen Herangehensweise zeigt die Künstlerin ihre Experimentierfreude und füllt das Gezeigte zugleich mit großer Essenz.


Imaginary distortion of fact & fiction
09.03. – 07.04.2018

Kunstverein Viernheim | Kunsthaus Viernheim
www.kunstverein-viernheim.de
Öffnungszeiten:
Do./Fr. 15:00 – 18:00 Uhr + Sa. 10:00 – 13:00 Uhr

Weitere Infos auch unter:
www.lynnschoene.com

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