Scheinbar unscheinbar. AINO und Tom Feritsch im Museum Théo Kerg, Schriesheim

Das Museum Théo Kerg zeigt noch bis zum 12. November die erste Gemeinschaftsausstellung der Heidelberger Künstlerin AINO und des Mannheimer Künstlers Tom Feritsch – eine überaus gelungene Fusion zweier gegensätzlicher Konzepte. Wie Yin und Yang haben die beiden künstlerisch zueinandergefunden.

Unter dem Titel „scheinbar unscheinbar“ haben AINO und Feritsch Arbeiten aus ihrem jeweiligen Oeuvre zusammengestellt, die dem Leitmotiv Schönheit folgen. Es geht beiden jedoch nicht um eine Schönheit im antikisierenden Sinne oder um eine plakative, oberflächliche, perfekte Schönheit, sondern um eine innere, dahinterliegende, verborgene Schönheit. Dass es um den Prozess des Suchens und Findens von Schönheit mit künstlerischen Mitteln geht, beschreibt auch der Titel der Ausstellung scheinbar unscheinbar. Es wird ein zweiter oder dritter Blick gefordert, der den Wahrnehmungsraum des Betrachters erweitern und einen Zugang zum jeweiligen Kern der Arbeiten schaffen soll: Das scheinbar Unscheinbare wird hier zum Erkenntnisgewinn.

AINO und der Prozess der Umdeutung
Die in Heidelberg lebende Künstlerin AINO arbeitet mit Wachs – und das auf hochkomplexe Weise. Wachs verfolgt in ihren Arbeiten das alles zusammenhaltende Prinzip, ist Vorder- und Hintergrund, Trägerschicht und Vorhang zugleich. Hinter und in diesem Material verbirgt sie unterschiedlichste Objekte. Diese sucht sie nicht wahllos aus, sondern stellt bereits vor dem „Verschwinden“ eine Verbindung her. Jedes Objekt hat für sie eine Bedeutung, eine Funktion, ein „Vorleben“. Es können pflanzliche Materialien wie Samen, Stroh oder Erde sein oder alte Baumaterialien wie Nägel, Holz- und Eisenstücke, oder industriell hergestellte Objekte wie beispielsweise Figuren, die in Architekturmodellen eingesetzt werden. Diese Objekte werden in sehr dicke Wachsschichten eingegossen – gehalten durch einen Trägerrahmen aus Holz. Jede Schicht wird nach dem Festwerden geschliffen, teilweise wieder abgeschliffen und neu mit Wachs übergossen, bis zu einem Punkt, da das eingeschlossene Objekt wie verwandelt scheint. Ein Stück Holz oder eingeschlossener Sand haben plötzlich die verwegenen Züge einer abstrahierten Landschaftsdarstellung in Sepia oder kleine Tonquader verwandeln sich in ein vasengleiches Gebilde. Bei diesen Arbeiten ist die Umdeutung eines Objektes durch Verschleierung das Prinzip mit der Absicht, das was die vorhandene Form ausmacht, sichtbar zu machen. AINO aber hat auch Arbeiten entwickelt, in denen sie Objekte nur in Teilen einschließt. Ein Teil bleibt außen sichtbar – wie in der Arbeit „Time“, in der ein Stück rostige Eisenplatte seitlich aus dem Bild herausragt oder in der Arbeit „Grass“, bei der getrocknete Gräser aus dem oberen Bildrand in einem Bogen aus dem Wachs herauszuwachsen scheinen. Werden in den geschlossenen Arbeiten die Objekte vom Wachs verborgen und damit vor einem Außen geschützt, setzt sie bei diesen Arbeiten auf den Ausdruck von Verletzlichkeit, Ungeschütztheit aber zugleich auch auf die Kraft der Befreiung wie aus einem Korsett.


Earth, 4-teilig/AINO/Wachs, Ton, Samen, Körner

Echo hell/AINO/Leinen, Wachs Burned/AINO/Wolle,Wachs
Wood/AINO/Wachs, Holz
Seeds, 2-teilig/AINO/Wachs,Ton
Time/AINO/Eisen, Wachs
Tools I – Tools IV/AINO/Werkzeug, Wachs

Tom Feritsch und die Archaik der Form
Eisen, Ton und Bronze sind die wichtigsten Materialien, mit denen der Mannheimer Objekt-Künstler seit Jahrzehnten arbeitet. Es entstehen Objekte für den Boden und Sockel aber auch zahlreiche Objekte für die Wand. Gerade die Wandobjekte entwickeln in dieser Präsentationsform trotz stabiler, massiver Werkstoffe eine wunderbare Luftigkeit und Leichtigkeit. Die Spielfreude von Feritsch im Umgang mit schweren, harten und rauhen Materialien ist bemerkenswert und seine Herangehensweise an die Formfindung ist dabei experimentell und häufig vom Zufall geleitet, weil auch die Strukturen und Eigenschaften der Materialien die Form und die Bearbeitungsmöglichkeiten mitunter vorgeben. Dennoch entstehen eigenständige und häufig eigenwillige Objekte mit einer wunderbar archaischen Optik. Gemäß dem Leitspruch der „Weg ist das Ziel“, kommt Feritsch zur Form, indem er Materialien reduziert, faltet, aufbricht, verbindet oder auch indem er die Schwerkraft nutzt. Beispielsweise lässt er Eisenkugeln auf angetrocknete Tonplatten fallen, sodass blasenförmige oder hutartige Gebilde entstehen. Feritsch ist im Umgang mit den Materialien außerdem so virtuos, dass es ihm gelingt gegensätzliche Werkstoffe in Farbe und Struktur anzugleichen. So ist nicht immer auf den ersten Blick erkennbar, ob es sich um roten Ton, oder rostiges Metall oder gelben Ton oder Holz handelt. Die sichtbaren Veränderungen und Prozesse im verwendeten Material, die durch Zeit oder den Verarbeitungsprozess entstehen sind für Feritsch aber auch ein Sinnbild für Alterung und Auflösung sowie für Zerstörung und Verfall.

Großer Wald/Tom Feritsch/Terrakotta
Earth-Picture 2-teilig/Tom Feritsch/Terrakotta
Reliefstruktur + Wandrelief Landschaft/Tom Feritsch/Terrakotta
Relief mit Streifen + Relief mit Linien/Tom Feritsch/Terrakotta
Raumgitter braun/Tom Feritsch/Terrakotta
Schalenfragment/Tom Feritsch/Terrakotta

  • Ausstellungsdauer: bis 12.11.2023
  • Ort: Museum Théo Kerg, Talstraße 52, 69198 Schriesheim
  • Öffnungszeiten: Samstag/Sonntag 14-17 Uhr und nach Vereinbarung
  • Weiterführende Infos

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