„Atelierbesuch“ bei: Yo Rühmer, Pleinair-Malerin

Eigentlich hätte es ja ein Atelierbesuch werden sollen und das ist es ja auch irgendwie geworden. Bei der Kontaktaufnahme haben wir die Anfrage nach ihrem Atelier gestellt und Yo Rühmer hat geantwortet: „Ich male ja nur draußen und habe deswegen kein Atelier bzw. das größte und schönste überhaupt: überall im Freien, in der Natur.“ Und so haben wir uns dann im Pfälzer Wald verabredet – genauer gesagt bei der Klosterruine Limburg bei Bad Dürkheim – und haben einen wundervollen halben „Ateliertag“ mit Malen verbracht. Yo Rühmer hat gemalt und wir haben ihr dabei über die Schulter geschaut, gefragt, zugehört, geredet und ein bißchen gequatscht. Von allem etwas, wobei man gleich betonen sollte, die Pleinair-Malerei, das Malen vor Ort, direkt vor dem Motiv in der Natur, ist für Yo Rühmer eine Leidenschaft. Dafür brennt sie und dafür arbeitet sie Tag für Tag, 12 Monate im Jahr. Ein Buch zum Thema Mal einfach draußen! hat sie bereits herausgegeben und sie hält regelmäßig Workshops ab, wo sie Interessierten ihre Begeisterung vermittelt. Und ihre Begeisterung ist ansteckend, ihr gelingt es spielend alle Beteiligten, egal ob Teilnehmer oder Beobachter, in ihren Bann zu ziehen. Und bei uns hat sie es natürlich auch geschafft.

Nachdem wir uns auf dem Parkplatz getroffen und ein wenig kennen gelernt haben, gehen wir in die Klosterruine und Yo Rühmer sucht nach einem geeigneten Motiv. In der Regel malt sie in der Natur einen Landschaftsausschnitt und Lichtstimmungen, Architektur zählt nicht zu ihren bevorzugten Bildmotiven. Vielleicht mal ein Schuppen in einem Garten oder ein weit entfernter Turm in begrünten Hügeln. Ende September reiste sie nach London, eines ihrer Bilder wurde für eine Ausstellung der „Royal Society of Marine Artists“ ausgesucht und hing dort zusammen mit anderen Bildern der maritimen Malerei. Natürlich hat Yo Rühmer auch in London im Freien gemalt: Straßen, Häuser, die Themse mit Booten und dem Palace of Westminster im Hintergrund. Dort hat sie sich viel mehr mit gemalter Architektur befassen müssen, als sie es sonst tut. Somit war der Gedanke, jetzt auch die Klosterruine Limburg als Motiv ins Bild zu nehmen, nur folgerichtig. Rühmer greift auf die Erfahrungen aus London zurück und sucht sich einen Standpunkt im Inneren der Ruine aus, der den halb zerfallenen Turm als bildbestimmendes Motiv nimmt, der aber auch die Wiese und die Bäume im Vordergrund berücksichtigt und als belebende Naturelemente ins Bild einfließen lässt.

Da Yo Rühmer sich bewusst gegen ein eigenes Auto entschieden hat, muss alles was sie für das Malen braucht, auf ihrem Fahrrad transportiert werden können. Alles ist darauf ausgelegt schnell und umkompliziert aufgebaut und auch überall im Freien aufgestellt werden zu können. Sie bevorzugt das kleine Format, da sie in Öl malt. Die längeren Trocknungszeiten von Öl- gegenüber Acrylfarben machen den Transport ihrer fertigen Bilder etwas schwieriger. Ein nasses, großformatiges Ölbild lässt sich nicht mal eben auf dem Fahrrad mit nach Hause nehmen und auf der Staffelei wäre es beim Malen sehr windanfällig. Daher malt sie bevorzugt in kleineren Formaten. Den Malkasten, die sogenannte Pochade Box mit den Farben, der Palette und einer kleinen Staffelei stellt sie auf ein Stativ, bereitet alles vor, kontrolliert nochmal den Standort und das Motiv und beginnt mit dem Bild. Am Anfang steht wirklich der weiße Malgrund und Yo Rühmer beginnt direkt mit dem Mischen der Farben. Es gibt keine Vorzeichnung, keine Skizze oder andere technische Hilfsmittel. Sie malt alla prima, direkt mit der gemischten Farbe auf den Malgrund und verwendet dabei immer möglichst große, breite Pinsel, um sich nicht so sehr ins Detail zu verlieren. Diese Vereinfachung ist ein Gestaltungsprinzip, welches das Flüchtige des Bildmotivs unterstreicht. Was zunächst wie eine Untermalung aussieht, wird dann schnell über akzentuiert gesetzte Linien zum dargestellten Motiv aufgebaut.

Die Lichtstimmung im Bild ist von entscheidender Bedeutung. Ganz im Sinne der impressionistischen Verschwommenheit und Verundeutlichung rückt sie nur das Wichtige mittels klar gesetzter Schärfe in den Fokus. Randbereiche und Unwichtiges werden mit einem weichen Pinsel sanft verwischt, das Auflösen der Kontur lenkt somit den Blick des Betrachters und lässt den farbigen Lichtern und Schatten genügend Raum, um ihre Wirkung zu entfalten. Das Licht sorgt dafür, das sich alles im Bildraum in Bewegung befindet. Yo Rühmer malt dabei dem steten Lauf der Sonne hinterher. Sie sieht Lichtkanten an Bäumen und an der Architektur sowie Lichtflecken am Boden, die sie mit gebotener Eile und schneller Raffinesse auf die Leinwand bannt. Das Zufällige, das Ungeordnete des Natureindrucks muss augenblicklich gemalt sein, unter Berücksichtigung der Perspektive und der Tonwerte. Es ist, als ob Chaos und Ordnung aufeinander träfen, die dann allerdings durch die Meisterschaft von Yo Rühmer gezähmt und als flüchtiger Natureindruck stimmungsvoll auf der Leinwand strahlen.

Aufgrund des Bildformats und der zügigen Malweise dauert es zwischen 40 und 90 Minuten bis ein Bild vollendet ist. Yo Rühmer sieht am Ende noch ein paar Kleinigkeiten, die fehlen oder ein paar Striche, die die Perspektive verschieben. Schnell sind diese Eindrücke korrigiert und sie muss sich bewusst zwingen, die Arbeit am Bild dann auch wirklich zu beenden. Sie malt konzentriert wie in einem Flow, trotzdem kann sie zwischendrin erklären, reden und mit Schaulustigen kommunizieren. Immer wieder verändert sie ihre Position, schaut mit etwas Abstand auf den augenblicklichen Zustand des Bildes, grinst, lacht, ist gut gelaunt und schüttet beim Beenden des Bildes Glückshormone aus. Mit sich selbst zufrieden packt sie alles ein, reinigt die Malutensilien und ist dabei einfach nur glücklich. Dann zieht sie weiter, verabredet mit ihrem Mann fährt sie auf dem Fahrrad zum nahe gelegenen Flaggenturm und malt dort ein weiteres Bild. Unsere Wege haben sich vorher getrennt, aber wir können sicher sein, dass Yo Rühmer wieder glücklich mit sich, dem Bild und der Pleinair-Welt war, denn sie durfte wieder einen Tag mit Malen im Freien verbringen. Gibt es denn was Schöneres? Vielleicht, aber nicht für Yo Rühmer…

www.yoruehmer.de

Instagram: @yomalt

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