noch bis 11.1.2026
In der ständigen Sammlung der Kunsthalle Mannheim sind Werke des Expressionismus ein wichtiger Bestandteil, war doch die Kunsthalle eines der ersten Museen, die dieser Kunstrichtung die gebührende Aufmerksamkeit durch gezielte Ankäufe schenkte. Einige dieser Werke verschwanden nach 1937 durch die Säuberung der Nationalsozialisten und sind unwiederbringlich für die Kunsthalle Mannheim verloren. Den erhaltenen Bestand, ergänzt durch Leihgaben aus Privatbesitz, zeigt nun die Ausstellung „Kirchner, Lehmbruck, Nolde. Geschichten des Expressionismus in Mannheim“. 50 Gemälde, 30 Plastiken und 100 Arbeiten auf Papier bilden den Rahmen für das Erzählen expressionistischen Geschichten Mannheims.

Strukturiert wird die Ausstellung durch verschiedene Themenbereiche, die den Besucher durch die Schau führen. Den Anfang im ersten Raum machen Gemälde, die sich mit den typischen Themen des Expressionismus wie der Landschaft, der Großstadt und den Porträts befassen. Daran anschließend werden die Arbeiten auf Papier gewürdigt, hier sind es die Hell-dunkel Kontraste und die scharfkantigen und spitzen Formen des Holzschnitts, die die Blätter dominieren. Ein weiterer Bereich der Ausstellung befasst sich mit kritischen Themen wie der kulturellen Aneignung und dem allzu freien Umgang mit der Unversehrtheit jüngerer Aktmodelle bzw. dem Frauenbild dieser Jahre. Den letzten Raum beherrschen Plastik und Skulptur, hier wird ein weiter Bogen gespannt über die einzigartigen plastischen Werke Lehmbrucks bis hin zu den fast ungegenständlich gearbeiteten Werken von Rudolf Belling.



Expressionismus war nicht nur eine Stilrichtung in der Bildenden Kunst, er erstreckte sich über alle kulturellen Bereiche. In der Musik, Architektur, Literatur, im Theater und Film gab es zeitgleich diese Entwicklung, wobei es auch immer wieder Künstler gab, die sich in mehreren Bereichen hervortaten. Etwa der Maler Ludwig Meidner, der sich neben seinen Bildern, Zeichnungen und Graphiken eben auch literarisch hervortat. Seine 1914 erschienene „Anleitung zum Malen von Großstadtbildern“ ist ein programmatisches Manifest, das sich zu einem zentralen Thema der expressionistischen Kunst äußert: „Eine Straße besteht nicht aus Tonwerten, sondern ist ein Bombardement von zischenden Fensterreihen, sausenden Lichtkegeln zwischen Fuhrwerken aller Art und tausend hüpfenden Kugeln, Menschenfetzen, Reklameschildern und dröhnenden, gestaltlosen Farbmassen.“ Im weiteren verweist er auf drei Materien, welche der Gestaltung des Bildes dienen, das Licht, der Blickpunkt und die Anwendung der geraden Linie.



„Malen wir das Naheliegende, unsere Stadt-Welt! Die tumultuarischen Straßen, die Eleganz eiserner Hängebrücken, die Gasometer…die brüllende Koloristik der Autobusse und Schnellzugslokomotiven, die wogenden Telephondrähte (sind sie nicht wie Gesang?), die Harlekinaden der Litfaß-Säulen, und dann die Nacht…die Großstadt-Nacht…“ Ludwig Meidner beschreibt den Rausch der Farben und Formen und ansatzweise lässt sich das auch in der fantastischen, hochformatigen Zeichnung von 1913 erkennen, die in der Ausstellung hängt. Die Gestaltungsprinzipien sind reiner Expressionismus und somit steht Meidner mit seinem Manifest stellvertretend für den Großstadt-Expressionismus wie er vornehmlich in Berlin gelebt und gestaltet wurde, wenngleich die Landschaft und das Herausgehen und Skizzieren in der Landschaft auch weiterhin ein wichtiges Thema der Expressionisten bleibt.



Im abschließenden Teil der Ausstellung bilden Werke aus der umfangreichen Plastiksammlung der Kunsthalle Mannheim. Zentraler Künstler ist hier Wilhelm Lehmbruck, der bereits früh im Ausland die Anerkennung als herausragender Bildner des frühen 20. Jahrhunderts erhielt. Auch ihm widmet Ludwig Meidner einen Text, „Das Werk Lehmbrucks“, und beschreibt ihn darin als Schöpfer ewiger Kunst, als erhabenen Wegweiser und als einen Gotiker, der immer wieder in seinen Formungen an die Gotik erinnert: „…aber seine Sinnlichkeit, seine Musikalität überhauchen diese Gebilde mit einem sonderlichen Leben. Und jedes von ihnen schwebt in seiner eigenen, zaubervollen Melodie, die an Tod und Ewigkeit gemahnt, aber auch das Betörende und ins Herz schreibt des Wandels im Licht der Vergänglichkeit.“ Meidner umschreibt hier einfühlsam das Werk Lehmbrucks und dieses Wesen spiegelt sich eben auch in den Werken wider. Ihre eigentümliche Stille und Ruhe wird hier von einem Zeitgenossen gewürdigt und kunsthistorisch eingeordnet.



Im umfangreich gestalteten Katalog werden noch weitere Bereiche des Expressionismus in Mannheim angesprochen und aufgearbeitet. Etwa über den Eingriff der Nationalsozialisten 1937 in den Sammlungsbestand, die Sammler und Künstler Beziehung von Sally Falk und Wilhem Lehmbruck, die Kunsthändler Tannenbaum und Probst, die Sammlerin Rosa Schapire, sowie über typische Themen des Expressionismus wie Akt, Landschaft, Porträt oder Großstadt. Ein vielfältiges Begleitprogramm rundet die Geschichten des Expressionismus in Mannheim ab. Auserzählt sind diese Geschichten aber noch lange nicht.

Kunsthalle Mannheim, Friedrichsplatz 4, 68165 Mannheim
Dienstag, Donnerstag bis Sonntag 10-18 Uhr, Mittwochs 10-20 Uhr