Skulpturen aus Papier, Kunsthalle Vogelmann Heilbronn

Von Kurt Schwitters bis Karla Black

bis 2.7.2017

Der zarte und vergängliche Werkstoff Papier wird in der aktuellen Ausstellung der Kunsthalle Vogelmann zum Thema erhoben. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wird das Papier als schnell verfügbarer und leicht zu bearbeitender Werkstoff aufgegriffen, Pablo Picasso war einer der ersten der damit skulptural arbeitete und Kurt Schwitters verwendet in seinen Collagen in den 20er Jahren das Papier als formgebendes Material. Seinen „Durchbruch“ erlebt es aber erst in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts.

Kunsthalle Vogelmann Heilbronn
Blick in die Ausstellung

Die Heilbronner Ausstellung will für diese Entwicklung allerdings keine Überblicksschau sein. Sie beleuchtet einzelne Positionen und führt beispielartig vor Augen, welche unterschiedlichen Ansätze hier inhaltlich und formal möglich sind. Nichts baut aufeinander auf oder ist der Vorgänger und Wegweiser, alles steht zunächst einmal für sich selbst als singuläre Position im Kontext „Skulpturen aus Papier“. Auf allen drei Ebenen der Kunsthalle und zusätzlich in den angrenzenden Räumen des Kunstvereins finden sich viele einzelne Werke, Installationen und raumbezogene Arbeiten.

Im Erdgeschoss findet sich gleich im ersten Raum Weltliteratur in Wurstform. Aus Dieter Roths Serie Literaturwürste wird die Blechtrommel hinter Glas ausgestellt. Leicht verdaulich in kleine Häppchen geschreddert, in eine Pelle verpackt und fein säuberlich etikettiert, liegt sie im Plexiglaskasten geschützt. Hunderte Seiten am Stück unkonserviert und unlesbar zum reinen Anschauungsprojekt umfunktioniert. An den Wänden wird sie flankiert durch Papierarbeiten von Arman, Wolf Vostell und Robert Rauschenberg, sowie durch Collagen von Kurt Schwitters, einzelne zerrissene Stückchen vielteilig aneinandergeklebt und in eine neue Form, in einen anderen Sinnzusammenhang gebracht oder fächerförmig in einzelnen Form- und Farbbahnen nebeneinandergestellt. Papier ist nicht mehr der Trägerstoff für Literatur und Kunst, Papier selbst wird hier zum Kunstwerk erhoben.

In der nächsten Ausstellungsebene wird das Licht und die Farbe in die Bild- bzw. Raumwirkung miteinbezogen. Einerseits ist es eine Strukturierung des Gesamtraums, andererseits steht jedes einzelne Werk immer noch für sich selbst. Es ist eine Art Rauminstallation durch die wohlüberlegte Anordnung und Zusammenstellung, natürlich nie von den Künstlern so geplant, aber kuratorisch klug inszeniert. Dan Flavins bunte Röhren ‚Colour Round‘ im Zentrum des Raumes wird von Isamu Noguchis papierbespannten Lampen und von Fotografien von Bauhaus-Arbeiten seitlich eingerahmt. Die unterschiedlichen Ansätze finden zu einem Gesamtkonzept zusammen.

Im obersten Stockwerk sind es eher die klaren Strukturen, die den Raum durchziehen. Vorne sind es die tektonischen Papierskulpturen von Erwin Heerich und im hinteren Teil die aus Vierkantrohren zusammengesetzten Segmente aus Karton von Charlotte Posenenske, die raumgreifende Größe entwickeln aber ohne größeren Kraftaufwand bewegt werden können. Die Fotografien von Architekturmodellen an der Wand zeugen von den skulpturalen Qualitäten dieser Papierarbeiten, ausschnitthaft und fragmentarisch heben sie Einzelformen hervor oder akzentuieren einfühlsam besondere Formverläufe. Die Ambivalenz des Werkstoffs Papier kommt hier besonders gut zur Geltung, das Leichte und das Große verbinden sich in den Werken dieses Raumes.

Auch die Räume des angrenzenden Kunstvereins werden für die Schau genutzt. Karla Blacks extra für die Heilbronner Ausstellung geschaffene raumfüllende Installation „Could“ lässt wolkenähnliche Gebilde im Raum schweben, die aus größeren Papierstücken zusammengefügt sind. Mittels Bändern an der Decke befesigt und mit pastellartigen Farben aus Kosmetikprodukten bemalt, entsteht ein papiernes Spiel aus Illusion, Schein und Wirklichkeit. Im zweiten Raum befinden sich Installationen von Franz Erhard Walther, der 2011 Preisträger des Ernst Franz Vogelmann-Preises war und in einer größeren Ausstellung gewürdigt wurde. Kissen, Tüten, Stapel und Papierbilder sorgsam angeordnet und seriell inszeniert, rücken das Papier in einem minimalistischen Ansatz in den Fokus.

Städt. Museen Heilbronn, Kunsthalle Vogelmann, Allee 28, 74072 Heilbronn

Di-So 11-17 Uhr, Do 11-19 Uhr

www.museen-heilbronn.de/kunsthalle

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