Emil Nolde – Farbenzauber, Kunsthalle Vogelmann Heilbronn

Emil Nolde – Farbenzauber

Eine Retrospektive auf Papier

bis 17.6.2018

In der Heilbronner Kunsthalle Vogelmann läuft derzeit eine umfassende Retrospektive des norddeutschen Malers Emil Nolde (1867-1956). Der Fokus der Ausstellung liegt auf Papierarbeiten, etwa 80 Aquarelle, Kohle- und Tuschfederzeichnungen werden in Zusammenarbeit mit der Nolde Stiftung in Seebüll gezeigt. Im Anschluß geht die Ausstellung „Farbenzauber. Eine Retrospektive auf Papier“ dann noch nach Lübeck. Damit setzt die Kunsthalle Vogelmann die Ausstellungsreihe von expressionistisch arbeitenden Künstlern fort, die mit der Präsentation von Werken des Brücke-Künstlers Karl Schmidt-Rottluff 2015/16 begonnen hat und in loser Folge fortgesetzt werden soll.

Blick in die Ausstellung

Der Weg zum freischaffenden bildenden Künstler war für Emil Nolde kein leichter. Als Bauernsohn mußte er sich sein Künstlerdasein erst erarbeiten. Einer Lehre als Holzbildhauer folgten Wanderjahre als Schnitzer und Zeichner, wo er vor allem auch die Technik des Aquarellierens einsetzte und verfeinerte. Ganz in der Tradition der Freilichtmalerei der Impressionisten ging Nolde in die Natur hinaus und aquarellierte seine Blätter direkt vor dem Motiv. Das Naturerlebnis und die damit verbundenen Wetterphänomene haben dabei durchaus einen Einfluß auf seine Aquarelle. So ist etwa überliefert, dass der beim Aquarellieren den auf das Blatt fallenden Schnee, der dann geschmolzen ist, in die Bildwirkung hat einfließen lassen.

Seine spontane Arbeitsweise in der Nass-in-nass-Technik lässt unvergleichliche, farbintensive Kunstwerke entstehen. Auf speziellem sehr saugfähigem Papier, welches er mit Wasser tränkt, trägt er seine Farben auf. Das Ineinanderlaufen der Farben ist auch mit viel Erfahrung und meisterlichem Können kaum zu steuern, vieles entsteht fast zufällig und entspricht eher einer Formauflösung. Noldes Technik ist so frei, dass in vielen Blättern keine Vorzeichnungen oder Hilfslinien verwendet werden. Das Verhältnis von Farb- und Wassermenge bestimmt die Leuchtkraft und Transparenz der Schichten, klar abgegrenzte Konturlinien gibt es nicht, alles verläuft ineinander und bestimmt einen Bildaufbau ohne scharfe Abgrenzungen.

„Sind nicht Träume wie Töne und Töne wie Farben und Farben wie Musik? Ich liebe die Musik der Farben.“, Emil Nolde

Die Farbenwelt in Emil Noldes Werken ist unverwechselbar. Der bewußt gewählte Einsatz der Komplementärkontraste – vor allem zwischen Violett und Gelb – findet sich in den Aquarellen und auch in seinen anderen Bildern immer wieder. Generell dominieren starkfarbige Kontraste, die Strahlkraft der leuchtenden Farben rücken ihn im beginnenden 20. Jahrhundert in die Nähe der Expressionisten. Noldes Farbenpracht zeigt sich nicht nur bei den Landschaften in der Darstellung der Naturgewalten, sondern auch in den Porträts. Die Farbe dient hier einer seelischen Akzentuierung und Charakterisierung, oft nimmt er auch für den Dargestellten typische Attribute wie Hüte oder Halstücher und bindet diese in die Porträtdarstellung der Person mit ein. Das Zusammenspiel und der Klang der Farben werden zu einem Spiegel der Seele.

Auch in seinen Kohle- und Tuschfederzeichnungen ist immer wieder ein freier und formauflösender Duktus erkennbar. In schnell gesetzten Strichen fasst er Formen zusammen oder skizziert Bewegung in fast abstrakt wirkenden Liniengebilden. Nolde lässt sie somit nicht eingefroren wirken, sondern voll von sprühender Lebendigkeit und räumlicher Tiefe. Ganz gleich, ob es ich um Bewegungen des Tanzes oder um Darstellungen des Schlittschuhlaufens handelt, er hat in seinen Zeichnungen ein besonderes Gespür für Perspektive und Raum.

Tanzendes Mädchen (Hellblau) / Spitzentänzerin / Paarlauf

In der Heilbronner Ausstellung sind Werke aus allen Schaffensphasen vertreten. Noldes Werk kennzeichnet eine gleichbleibende Qualität, er verliert auch in seinen späten Schaffensjahren nichts von seiner Natürlichkeit und farbintensiven Bildsprache. Beides zieht sich wie ein roter Faden durch sein gesamtes Werk und entwickelt sich aus seiner ambivalenten Persönlichkeit heraus. Der farbenfrohen Künstlerpersönlichkeit stehen problematische charakterliche Züge gegenüber. Noldes antisemitische Äußerungen und Haltungen, die in einer Mitgliedschaft in der NSDAP gipfeln und die in der Nachkriegszeit von ihm selbst in biographischen Darstellungen geschönt wurden, stehen seine völlig unpolitische Kunst und seine Einordnung als entarteter und mit Ausstellungsverbot belegter Künstler gegenüber. Mehr als 1000 Werke von Nolde wurden aus öffentlichen Sammlungen von den Nationalsozialisten entfernt. Nolde selbst antwortete auf sein Berufsverbot mit anbiedernden Briefen und Anfragen bei diversen Nazigrößen.

Seine Einordnung als entarteter Künstler entstammt aus seiner Nähe zum Expressionismus. 1906 wird er für ein Jahr Mitglied der Künstlergruppe „Die Brücke“. Dabei war er fast eine Generation älter als die anderen Brücke-Künstler, diese bewunderten Noldes Farbenzauber und sahen in ihm einen blutsverwandten Mitstreiter. Der Expressionismus wird als nordische Kunst bezeichnet, hier ist auch Emil Nolde verwurzelt – mit seiner norddeutschen, bäuerlichen Herkunft, seiner Erdverbundenheit und seinem Verhaftetsein mit der Natur. In seiner Kunst fehlen allerdings typische Gestaltungsprinzipien des Expressionismus, es gibt keine Deformierungen und Längungen und keine psychisch aufgeladenen Stimmungen und Seinszustände. Die für den Expressionismus typische Zertrümmerung der Form fehlt ebenfalls. Noldes Werke sind vor allem ein formauflösender Farbexpressionismus, in den Landschaften und Naturbildern ist es ein exzessiver, bei den Porträts und Blumenbildern ein kontrastreicher Farbenrausch. Das macht bis heute den ungebrochenen Bann des verehrten und erfolgreichen expressionistischen Künstlers Emil Nolde aus.

Kunsthalle Vogelmann, Allee 28, 74072 Heilbronn

Di-So 11-17 Uhr, Do bis 19 Uhr

www.museen-heilbronn.de/kunsthalle

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